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Beitrag vom 30.12.2008
Alter und Schönheit von Michael Klier, Kinostart: 8. Januar 2009
Anna Opel
Drei Männer und eine Frau auf der Suche nach der verlorenen Zeit vertreiben sich dieselbe in melancholischer Leichtigkeit am Pool eines todkranken Freundes.
Der drohende Krebstod eines Freundes bringt eine Gruppe versprengter Extremindividualisten nach langer Zeit am Krankenbett zusammen. Harry mit dem trockenem Humor (Henry Hübchen), der sich zwischen Frau und Geliebter und sowieso nicht entscheiden kann, Justus (Burghart Klaußner), personifiziertes Kind im Mann, das allen gleich die neue Uhr mit dem ewigem Kalender zeigen muss und der sorgenvolle Kümmerer Bernhard (Armin Rohde). Der todkranke Manni (Peter Lohmeyer) liegt schon halb entrückt in seinem edlen Hospiz unter herbstfarbener Bettwäsche, sein Lebenstraum, der silberne Ferrari steht verheißungsvoll vor der Tür.
Wisst ihr noch, damals diese Nacht nach dem Unfall, gerade noch mal dem Tod entwischt, das war die schönste seines Lebens, sagt Manni zwischen lauter hilflosen Kontaktversuchen der Freunde. Mit ihnen hat er sie verbracht, über die Zukunft redend, in der nun alle angekommen sind. Und sie sind erfolgreich, überwiegend verheiratet mit Kindern, teilweise mit Geliebten ausgestattet – aber keineswegs glücklich. Sehnsucht nach dem echten und wahren Gefühl ist geblieben, Hunger nach Euphorie, Größe, Geschwindigkeit.
Justus schenkt Manni gleich die neue Uhr, ihr ewiger Kalender wird ihn bald an einen anderen Ort geleiten. Im Diesseits hegt er einen letzten Wunsch: Rosi noch mal sehen, sich mit ihr versöhnen.
Aus dem Krankenzimmer entkommen sprinten die Männer zum Ferrari, um als erster den Platz am Steuer zu ergattern und schwärmen aus, die geheimnisvolle Schöne suchen. Zwischendurch schlagen sie ihr Lager in Mannis geschmackvollem Bungalow auf. Legen alte Platten auf. Jeder noch in seinem eigenen Film. Justus und Harry hantieren unentwegt mit dem Handy, Bernhard überlegt, wie er Manni die letzten Tage schön machen, ihn nach Hause holen könnte.
In Michael Kliers neuem Film "Alter und Schönheit" kommt erst Atmosphäre auf, als Rosi (Sybille Canonica), das heimliche Zentrum der Freunde, sich nach langem Zögern überreden lässt, das zerknautschte Bett zu verlassen um ihrem Ex die letzte Ehre zu erweisen. Langsam und nicht zuletzt durch Rosis schweigsame, schmerzlich flüchtige Präsenz wird aus vier Leuten, die jeder für sich die Möglichkeit von Glück aus den Augen verloren haben, so etwas wie ein Zusammenhang. Melancholische Leichtigkeit, ein Sinn für die Magie der Gegenwart kommen auf. Und jeder zieht jetzt für sich Bilanz des eigenen Lebens. Rosi streift auf der Suche nach ihren Erinnerungen durch das Anwesen und findet ihre Liebesbriefe an Manni.
Die FreundInnen lungern am Pool herum, schauen einen alten Film, in dem Manni seine verrückte Autoleidenschaft schildert. Bekifft und gelöst liegen sie irgendwann als Knäuel auf Mannis Bett. Als Bernhards forsche Frau vorbeischaut, um nach dem Rechten zu sehen, räumt Bernhard beiläufig mit den Halbheiten seiner Existenz auf. Ob dieser Heldenmut über die Ausnahmesituation im Schoß der Freunde hinaus Bestand haben wird?
Die Stärke dieses Film liegt in einer seltsam spröden Brüchigkeit, einer Hintergründigkeit, die weder die tödliche Krankheit als Thema hat, noch das verfehlte Leben, sondern den Mangel an Sinn und Gemeinschaft im Leben der sogenannten "Erwachsenen". Die Figur der Rosi bringt mit traurigen Blicken und federndem Gang einen Moment in die Gruppe, der Transzendenz überhaupt erst ermöglicht. Deutlich ist zu spüren, wie sich der Regisseur bemüht hat, vor allem anderen den Moment des Innehaltens zu gestalten und zwar ohne jedes Pathos. In diesem Anliegen war er durchaus erfolgreich, manchmal vielleicht auf Kosten eines durchgängigen Esprits. So hilflos, offen und frei die Freunde werden, als sie aus ihrem täglichen Tun gerissen sind, so richtungslos und trotzdem charmant wirkt manchmal die filmische Erzählung.
AVIVA-Tipp: Ein ungewöhnlich epischer Film, der sich mit Starbesetzung, die durch unterspanntes, dabei hochdifferenziertes Spiel überzeugt, von der Banalität des Alltags abstößt um mit heiterer Melancholie in überzeitliche Sphären einzudringen. Immer wieder überraschend und gut: wenn die leicht derangierte, schöne, zarte Sibylle Canonica als Rosi ihr Schweigen bricht, die samtene Stimme erhebt, um dann doch was zu sagen. Immer zu wenig und bis auf eine Ausnahme nie das, was die anderen hören wollen.
Alter und Schönheit
Deutschland 2007
Regie: Michael Klier
DarstellerInnen: Henry Hübchen, Burghart Klaußner, Armin Rohde, Sibylle Canonica, Peter Lohmeyer
Laufzeit: 95 Minuten
Kinostart: 8.Januar 2009
Mehr Informationen zum Film finden Sie unter:
www.alterundschoenheit.x-verleih.de